Digitaler Fotokurs
Architektur Fotografie
Die Architekturfotografie gehört zusammen mit der Objektfotografie zu den technisch anspruchsvollsten Bereichen der Fotografie. Denn bei der Architekturfotografie kommt es die Beherrschung der Technik an.
Architekturfotografie kann dokumentarisch sein, also ein Gebäude solo oder in seiner Umgebung so ablichten, dass man sich, beispielsweise als Kaufinteressent einen Eindruck von dem Objekt machen kann, sie kann stattdessen Architektur fotografisch interpretieren.
Während die dokumentarische Architekturfotografie vor allem eine technische Herausforderung ist, ist die fotografische Interpretation eines Gebäudes sowohl eine technische als auch eine gestalterische Herausforderung.
In beiden Fällen geht es darum, stürzende Linien zu vermeiden oder, auch das ist in der fotografischen Interpretation gerade von Hochhäusern möglich, sie im Gegenteil noch zu betonen, geht es um die Perspektive und bei Verwendung von Weitwinkelobjektiven zusätzlich um mehr oder minder stark ausgeprägte tonnenförmige Verzeichnungen.
Während sich stürzende Linien, sofern sie nicht allzu massiv sind, nachträglich ebenso wie tonnenförmige Verzeichnungen mit einem guten Bildbearbeitungsprogramm ausgleichen lassen, ist die falsch gewählte Perspektive endgültig und lässt sich auch mit dem besten Bildbearbeitungsprogramm nachträglich nicht mehr korrigieren.
Das bedeutet, nicht nur in der dokumentarischen Architekturfotografie, sondern auch in der fotografischen Interpretation von Architektur, dass man, am besten noch bevor man überhaupt die ersten Fotos macht, um ein Gebäude herumgeht, um es sich aus verschiedenen Entfernungen und Blickwinkeln anzusehen. Letzteres gilt natürlich eigentlich für alle fotografischen Aufgaben, selbst für Porträts.
Stürzende Linien
Zunächst gilt es, stürzende Linien zu vermeiden.
Auf diesem Bild aus dem Innenraum des Kaiserdoms zu Speyer sehen Sie starke stürzende Linien. Das hätte sich nur mit einer Großformatkamera und entsprechendem Aufwand beim Fotografieren vermeiden lassen. Denn auch ein Shiftobjektiv läßt sich nicht weit genug aus der optischen Achse verschieben, um bei so extremen fotografischen Situationen die stürzenden Linien völlig zu eliminieren.
Stürzende Linien entstehen immer dann, wenn die Kamera nicht vollständig parallel zur Objektebene ausgerichtet wird. In der Architekturfotografie also die Regel, wenn Sie vor einem Gebäude stehen und die Kamera zwingend nach oben ausrichten müssen, um nicht lediglich das Erdgeschoss fotografieren zu können.
Wie stark die stürzenden Linien sind, hängt wesentlich von der verwendeten Brennweite ab. Je kürzer die Brennweite, also je stärker das Weitwinkel , umso größer werden auch die Verzeichnungen, insbesondere also auch stürzende Linien.
An dieser einfachen Illustration können Sie vielleicht erkennen, wie stürzende Linien entstehen. Die Entfernung des Gebäudes von der Kamera nimmt nach oben ständig zu. Je weiter entfernt eine senkrechte Kante von der Kamera ist, umso mehr wird sie insbesondere bei Weitwinkelobjektiven nach innen geneigt, denn schließlich kommt mit wachsender Entfernung auch immer mehr Himmel oder ein benachbartes Gebäude mit drauf. Dieser Effekt tritt mit allen Brennweiten auf, besonders stark ist er jedoch bei Weitwinkelobjektiven. Oder mit anderen Worten, je weiter Sie vom Objekt, also dem Gebäude zurücktreten können und je länger somit die Brennweite für ein formatfüllendes Foto werden kann, umso weniger machen sich stürzende Linien im Bild bemerkbar.
Völlig vermeiden können Sie stürzende Linien mit einer normalen Digitalkamera und einem ganz normalen Objektiv nur, indem sich ihr Aufnahmestandort genau in der Hälfte der gesamten Gebäudehöhe befindet, Sie also beispielsweise aus dem Fenster eines gegenüberliegenden Gebäudes fotografieren können.Normalerweise werden Sie ein Gebäude von der Straße aus fotografieren, haben damit also genau die oben beschriebene Situation, die zwingend zu stürzenden Linien führt, die umso stärker werden, je kleiner die Brennweite und umso größer der Bildwinkel ist.
Nur wenn Sie von der Straße aus fotografieren, gilt die Panoramafreiheit. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil (Hundertwasser-Haus in Wien) entschieden, dass das Fotografieren aus einem gegenüberliegenden Gebäude ebenso zu werten sei wie das Fotografieren mit irgendwelchen Hilfsmitteln, mit denen man sich von der normalen Perspektive der Straße aus löst. Also zumindest im gewerblichen Bereich nicht ohne Genehmigung des Architekten oder in diesem Fall des Künstlers, soweit noch ein Urheberrecht gegeben ist. Das Urheberrecht erlischt in Deutschland erst 70 Jahre nach dem Tod des letzten beteiligten Urhebers. Näheres zu Rechtsfragen rund um das Fotografieren:
Stürzende Linien bereits bei der Aufnahme zu vermeiden, gelingt nur mit Shift-Objektiven, das sind Weitwinkelobjektive, bei denen sich das Objektiv geringfügig aus der optischen Achse herausschwenken lässt oder mit einer Großformatkamera.
Hier sehen Sie, wie man das mit einer Großformatkamera macht. Bei der Aufnahme werden die Film- und Objektiv-Ebenen parallel zum Objekt ausgerichtet, statt die Kamera selbst nach oben zu schwenken, wird lediglich die Objektivebene so weit nach oben geschoben, dass schließlich das Gebäude komplett erfasst wird. Hier ein Ausschnitt aus dieser Illustration, die das Prinzip vielleicht noch etwas deutlicher macht. Um eine seitliche Verzerrung auszugleichen, können Objektivebene und Filmebene zusätzlich auch noch seitlich geschwenkt werden.
Durch die zum Aufnahmeobjekt parallele Ausrichtung von Filmebene und Objektivebene wird der Strahlengang innerhalb der Kamera umgekehrt dem Strahlengang außerhalb der Kamera verlängert beziehungsweise verkürzt. Das Ergebnis ist, dass sämtliche Teile des Gebäudes für die Film-Ebene gleich weit entfernt sind.
Hier der gesamte Aufbau für dieses Foto einer Sinar Großformatkamera, das ich ich im Studio Marc Oeder Businessfotografie machte. Die nachfolgenden Fotos aus der Ulmer Pauluskirche entstanden ebenfalls mit einer (Plaubel-) Großformatkamera, ebenfalls aus dem Studio Oeder.
Ein Shiftobjektiv arbeitet nach dem selben Prinzip, das hier beispielhaft mit einer Großformatkamera dargestellt wurde. Die Kamera mit dem Shiftobjektiv wird auf dem Stativ absolut parallel zur Gebäudefront ausgerichtet, also in der Regel senkrecht. Der Aufnahmewinkel nach oben wird durch das Verschieben des Shift Objektivs aus seiner optischen Achse erreicht.
Shift-Objektive sind sehr teuer, für die nur gelegentliche Anwendung in der Architekturfotografie dürfte sich die Anschaffung kaum lohnen. Es gibt allerdings auch sinnvolle Alternativen zur Anschaffung, man kann sich Shift-/Tilt-Objektive ausleihen, beispielsweise bei der Firma GM Foto in Frankfurt oder bei Dinkel in München. Das macht allerdings nur zusammen mit einer Vollformatkamera Sinn, denn am kleineren APS Sensor ergibt sich eine um 50 % längere scheinbare Brennweite, so dass man das Weitwinkel Shiftobjektiv nicht wirklich nutzen kann. Die dazu passende Vollformatkamera kann man sich bei diesen Firmen natürlich auch ausleihen.
Selbst bekannte Profifotografen in meinem Bekanntenkreis schaffen sich diese Objektive nicht selbst an, sondern leihen sie bei Bedarf bei einer dieser Firmen.
Nur Fotografen, die sich auf Architekturfotografie spezialisiert haben, nennen auch die entsprechende Ausrüstung ihr eigen. Wenn man die Ausrüstung praktisch täglich braucht, ist die Anschaffung natürlich günstiger als das ausleihen.
Es gibt noch eine weitere Alternative zur Anschaffung eines echten Shift-/Tilt-Objektivs, nämlich einen Tilt/Shift Adapter, den es für digitale Spiegelreflexkameras von Canon, Nikon und Pentax gibt. An diesem Adapter werden sinnvollerweise nicht die für diese Kameras entwickelten Weitwinkelobjektive eingesetzt, sondern die für das kleine analoge Mittelformat 4,5 x 6 cm entwickelten Objektive von Pentax oder Mamiya.
Denn der Bildkreis eines normalen Kleinbild-Weitwinkelobjektivs ist zu klein, um damit shiften oder tilten zu können, es käme zur Vignetierung. Mit dem deutlich größeren Bildkreis der Mittelformat-Objektive ist es jedoch kein Problem. Entsprechende Adapter gibt es zum Beispiel bei Dixum.com
Da das Thema mit den Tilt-/Shift- Objektiven in diesem Zusammenhang schon angesprochen wurde, auch noch kurz, wozu die Tilt-Funktion: mit der Tilt Funktion kann man auch an einer digitalen Spiegelreflexkamera die Scheimpflugsche Regel anwenden, was früher nur mit Großformatkameras möglich war. Auch das ist prinzipiell ein Anwendungsgebiet der Architekturfotografie, wenn es beispielsweise darum geht, eine lang gestreckte Wand oder einen hohen Kirchturm in einem Winkel zur Kamera von vorne bis hinten scharf abzubilden. Da jedoch andererseits Weitwinkelobjektive eine sehr große Schärfentiefe besitzen, ist dieser Anwendungsbereich in der Architekturfotografie eher für Großformatkameras sinnvoll, da beim Großformat selbst im Weitwinkelbereich die Schärfentiefe relativ gering ist.
Beispiel eines Architekturfotos, das ich vor vielen Jahren mit einer Großformatkamera in der Ulmer Paulus-Kirche machte.
Eigentlich war ich wegen dieser Fenster mit der umfangreichen Ausrüstung nach Ulm gereist. Die Pauluskirche in Ulm ist zwar von außen eher nichtssagend, doch in ihrem Inneren ist sie ein architektonisches Erlebnis und zeigt, dass auch moderne Kirchenarchitektur sehr ansprechend sein kann.
Bei diesem Foto wurde zusätzlich seitlich ausgeglichen, damit die Lampe nicht vor dem Fenster hängt.
Scan des Original 9 x 12 cm Diapositivs ohne Nachbearbeitung im Photoshop.
Zum Vergleich ein Foto mit der Pentax 200 D, dass ich im Sommer 2013 in der Pauluskirche machte und im Photoshop perspektivisch entzerrte. Beim Vergleich muß man sich natürlich klar sein, dass es sich auf dieser Webseite um erheblich verkleinerte Darstellungen in Bildschirm-Auflösung handelt. Die enorme Auflösung eines Planfilms wird digital nur mit extrem teuren Spezialkameras erreicht oder sogar übertroffen. Aus dem Planfilm lassen sich Ausdrucke mit 2-3 Metern Kantenlänge erstellen. Da hätten die 10 Megapixel der 200 D längst vorher ihre Grenzen erreicht.
Ulmer Münster Mittelschiff mit digitaler Spiegelreflexkamera. Normales Zoom-Objektiv, also kein Shift-Objektiv. Die stürzenden Linien wurden im Photoshop ausgeglichen.
Die nachträgliche Bildbearbeitung bei diesem Foto:
Zunächst wurde das Foto geringfügig gedreht, indem mit dem Linealwerkzeug die Abweichung der waagrechten Linie über der bemalten Wand gemessen und um diesen Wert gedreht wurde.
Danach wurden die stürzenden Linien nur im zentralen Bereich des Fotos ausgeglichen, also rechts und links der bemalten Wand.
Die bemalte Wand war auf dem Foto (Pentax typisch) jedoch so flau, dass man die Bemalung nur ahnen konnte und der dahinter liegende Chor mit Ausnahme der Fenster tief schwarz.
Mit dem Polygon Lasso wurde der dunkle Chor ausgewählt, mit "Kante verbessern" die Auswahl abgerundet und eine Ebene durch kopieren erstellt. Diese Ebene wurde anschließend negativ multipliziert, also aufgehellt und mit ca. 50% Deckkraft über die Hintergrundebene gelegt.
Anschließend wählte ich wieder auf der Hintergrundebene das gesamte Rechteck aus bemalter Wand und Chor aus und erstellte daraus eine weitere Ebenenkopie. Diese Ebene wurde mit weichem Licht zur Erhöhung des Kontrastes mit ebenfalls ca. 50% Deckkraft über die Hintergrundebene gelegt.
Dadurch tritt nicht nur die Wandmalerei deutlich hervor, sondern auch die 3 Fenster im Chor leuchten stärker. Da durch die Kontrasterhöhung Hell-Dunkel Unterschiede verstärkt werden, geht bei der Aufhellung des Chorraums natürlich wieder einiges an Bildinformation vom vorangegangenen gezielten Aufhellen verloren. Das ist aber auch so gewollt gewesen. Man kann den Einfluss der beiden Bearbeitungsebenen auch untereinander feinfühlig mit der Ebenendeckkraft regulieren. Im ursprünglichen Foto war außer den Fenstern der Chor tiefschwarz.
Der Eindruck, der durch die Nachbearbeitung erzielt wurde, entspricht nun weitgehend dem Eindruck, den man hat, wenn man erstmalig das Mittelschiff des Ulmer Münsters betritt. Außer der enormen Höhe und Länge des Mittelschiffs fallen nämlich sofort die Wandmalereien und die aus dem deutlich dunkleren Chorraum heraus leuchtenden Fenster auf.
Ein noch stärker unserer Wahrnehmung entsprechender Bildeindruck wäre nur mit einer Belichtungsreihe und der sehr sorgfältigen Aufbereitung zu einem HDR-Foto möglich gewesen. Oder indem man mit einer genau abgestimmten künstlichen Lichtquelle (Blitzanlage) nur den Chor ausgeleuchtet hätte ohne dabei den Eindruck der aus der relativen Dunkelheit leuchtenden gotischen Kirchenfenster zu zerstören. Also ein Aufwand, den ein normaler Besucher einer Kirche nicht treiben kann. Denn selbst das aufstellen eines Stativs für ein HDR Foto dürfte nur selten in einer Kirche gestattet sein.
Diesen Aufwand konnte ich jedoch bei den folgenden Fotos treiben, da hatte ich die Kirche ganz für meine Fotos zur Verfügung. Übrigens, ein Teilnehmer meines Fotokurses assistierte und machte natürlich auch selbst viele Fotos.
Die historische Stumm Orgel in der Schlosskirche von Mühlheim an der Eis. Mühlheim liegt in der Nähe von Worms. Dieses kostbare Instrument ist eine der wenigen Orgeln aus der ersten Generation der Orgelbauerfamilie Stumm, die noch nahezu original erhalten ist.
Dasselbe Motiv von der gegenüberliegenden Empore fotografiert.
Die Fotos wurdem mit einer professinellen Blitzanlage gemacht. Ein Blitzkopf mit Durchlichtschirm, der auf der seitlichen Empore stand. Daher auch der Schattenverlauf in den beiden Fotos. Der Schirm war erforderlich, um unerwünschte Reflexe auf den Pfeifen zu reduzieren. Trotz der leistungsstarken Anlage nur Blende 4,5 bei Blitzsynchronisation auf 1/125 sek. Ein großer Raum schluckt ziemlich viel Licht. Das Foto entstand aus 3 Teilfotos, die anschließend zu einem Teil-Panoramafoto zusammengesetzt wurden.
Vorher hatte ich einen Versuch ohne Blitzanlage gemacht. Trotz des starken Strahlers in der Kirche war mit 1/10 sek. bei Blende 3,5 die Orgel ziemlich dunkel und nur die Partitur war richtig belichtet und leuchtete aus der dunklen Orgel. Das dunkle Foto gibt es auf meiner Facebook Seite.
Hier noch ein Blick auf die in den fünfziger Jahren freigelegten romanischen Fresken in der Mühlheimer Schlosskirche. Dieses Foto entstand mit 2 Blitzköpfen: Blende 8, 1/125 sek. ISO 100.
Die Adresse der Kirche:
Mühlheimer Hauptstraße 20
67283 Obrigheim (Pfalz)
Das folgende Foto wie auch die anderen Fotos moderner Architektur entstand bei einem nächtlichen Foto Streifzug durch Mannheim.
Im Auto hatte ich zwar eine umfangreiche Ausrüstung dabei, tatsächlich benutzt wurde davon jedoch nur meine Pentax K5 mit einem lichtstarken 28-105 mm , 1:2,8-4 Sigma-Zoomobjektiv und eine leichtes Reise-Stativ mit einem relativ kleinen Kugelkopf. Beides stabil genug, um der Kamera sicheren Halt zu geben.
Das schwere Stativ mit dem 3-Wege-Neiger blieb ebenso im Auto wie die übrige Ausrüstung, weil ich keine Lust hatte, wie ein Packesel durch Mannheim zu laufen. Wie ich erst bei der Nachbearbeitung der Fotos bemerkte, wäre ein Polfilter bei allen Fotos mit Glasflächen sinnvoll gewesen, denn, obwohl die Gebäude von innen beleuchtet waren, sind dennoch teilweise störende Spiegelungen in den Fenstern. Doch das Polfilter für dieses Objektiv hatte ich erst gar nicht dabei. Beim nächsten Mal dann.
Die Fotos zeigen das Nationaltheater Mannheim, Details des N1 Stadthauses, das SWR Gebäude oben und ein weiteres Gebäude in der Nähe des Nationaltheaters.
Soweit erforderlich, wurden die stürzenden Linien anschließend im Photoshop ausgerichtet. Das Titelfoto zeigt ein Detail des Nationaltheaters.
Stürzende Linien nachträglich ausgleichen
Im Photoshop lassen sich mit dem Freistellungswerkzeug und der angehakten Option "perspektivisch verzerren" Fotos mit stürzenden Linien nachträglich gerade ausrichten. Das führt jedoch oft zu einer Stauchung des Fotos, von dem Qualitätsverlust durch die Neuberechnung erst gar nicht zu reden. Die Stauchung können Sie nachträglich beheben, indem Sie das Bild mit neuen Bildgrößen berechnen lassen.
Dazu müssen Sie, bevor Sie die neue Bildgröße eingeben, das Häkchen bei "Proportionen erhalten" herausnehmen und dem Bild eine neue Bildhöhe geben, die den Staucheffekt wieder ausgleicht. Das führt zu einer erneuten Bildberechnung mit einem weiteren Qualitätsverlust. Es ist also nicht mehr als ein Notbehelf, der besser als nichts ist. Die Sorgfalt bei der Aufnahme kann damit nicht einfach wiederhergestellt werden. Wie man das im Photoshop macht, dazu gibt es bereits ein Tutorial:
Ganz grundsätzlich gilt, egal ob Sie mit einem Film in der Kamera oder mit einem Sensor Ihre Fotos machen, je besser das Original, je sorgfältiger Sie ihr Foto vorbereitet haben, umso besser das endgültige Ergebnis und umso weniger Arbeit in einem Bildbearbeitungsprogramm.
Ein Beispiel hier in Kurzform: Grundlage ist ein Foto, das während einer Ausstellung im Chor des Speyerer Doms vom normalerweise für das Publikum gesperrten Chor aus in Richtung Haupteingang erfolgte.
Die Kamera war bei der Aufnahme leicht gekippt, mit dem Linealwerkzeug wird die waagrechte Kante des Hauptaltars gemessen und anschließend das Bild um genau diesen Winkel gedreht.
Dazu geht man auf Bild/Arbeitsfläche drehen /Per Eingabe
Die gemessene Abweichung von der Horizontalen hat Photoshop automatisch eingetragen.
Nach dem Bestätigen wird das Foto gedreht.
Nun ist die Kante des Altars waagrecht. Im nächsten Schritt wird mit dem Freistellungswerkzeug und der angehakten Option "Perspekt. bearbeiten" nicht nur der neue Bildausschnitt ermittelt, sondern auch gleich die stürzenden Linien bearbeitet. (Im Photoshop CS6 sucht man vergeblich nach dieser Option weil es inzwischen das neue Werkzeug Perspektivisch freistellen gibt. )
Dazu bewege ich mit den mittleren Anfassern den Ausschnitt weit nach innen. Denn, je weiter etwas von der Kamera entfernt ist, umso weniger machen sich die stürzenden Linien bemerkbar. Würde ich stattdessen die Abweichung von der Senkrechten an den Säulen im Vordergrund ermitteln, würden die Säulen dichter an der Orgel nach außen kippen.
Sind die am weitesten entfernten Säülen jedoch senkrecht, enteht eher ein natürlicher Bildeindruck.
Mit den äußeren Anfassern werden die zunächst senkrechten Linien des Freistellerwerkzeugs parallel zu den weitest entfernten Säulen ausgerichtet und somit die Abweichung von der Senkrechten ermittelt. Anschließend ziehe ich die beiden Linien mit dem mittleren Anfasser wieder nach außen zum Bildrand.
Man kann die Freistellerei in mehrere Schritte aufteilen, wodurch es übersichtlicher wird. Doch jede Neuberechnung führt zu einer Qualitätsverschlechterung, die sich reduzieren läßt, wenn man nur einmal neu berechnen läßt. In dieser Demonstrtion wurde bereits einmal zuviel freigestellt, denn perspektivisch entzerren kann man bereits unmittelbar nach der Bilddrehung, man muss das Ergebnis nicht zwischenspeichern.
Übrigens, man braucht nicht die kostspielige Vollversion des Photoshop für diese und andere Bildbearbeitungen. Die kostenlose Open Source Bildbearbeitung Gimp kann das auch.
Mit einem Doppelklick könnte ich den neuen Bildausschitt übernehmen, das Foto würde neu ausgerichtet. Doch ich nehme auf den beiden äußeren Seiten gleich etwas weg, das Querformat hatte mich sowieso gestört. Ich schiebe mit den Anfassern also wieder ein Stück ins Foto hinein, bevor der abschließende Doppelklick kommt.
Hier das Ergebnis:
Dabei wurde das Foto wie üblich in der Höhe gestaucht. Mit einem Näherungswert wurde zum Schluss die Bildhöhe wieder ins ursprüngliche Verhältnis gebracht:
Die dem Betrachter am nächsten stehenden Säulen sind zwar immer noch leicht nach innen gekippt, doch das vermittelt eher einen natürlichen Eindruck.
Trotz leichtem Weitwinkel (36 mm bezogen auf das Kleinbildformat) scheint es immer noch eine perspektivische Verkürzung in diesem Foto zu geben. Das ist jedoch gegenüber dem Original im Querformat eine optische Täuschung. Denn im Originalfoto hat das Auge zum Abgleich der Dimensionen einen erheblichen Teil der gesamten dreischiffigen Anlage des Doms zur Verfügung, während in dieser Bearbeitung nur noch das Mittelschiff zu sehen ist. Im Verhältnis zum Originalfoto scheint das Mittelschiff breiter, niedriger und vor allem deutlich kürzer zu sein. Zumal der Altar den Blick auf den Boden hinter dem Altar verdeckt, der, wäre er sichtbar, die enorme Länge des Kirchenschiffs dennoch deutlich machen würde.
Der Kaiserdom zu Speyer ist die größte romanische Kirche der Welt und vom Kamerastandort bis zum Tor sind es mehr als 120 m. Weitere Fotos vom Speyerer Dom auf meiner Webseite: Heidelberg-Photo.com
Die durch den veränderten Bildausschnitt veränderte Bildwirkung insbesondere der Länge des Raums gibt vielleicht auch Anregungen für Ihre Fotos, je nachdem, was Sie mit einem Foto zum Ausdruck bringen wollen. Übrigens, die Dimension Breite des Mittelschiffs zur Breite des Tores entspricht ziemlich genau dem goldenen Schnitt. Das heißt, das Tor (nicht die umgebenden Torbogen) füllt den Raum zwischen den beiden senkrechten Koordinaten des goldenen Schnitts aus. Der Goldene Schnitt spielte für die Architektur und selbst für den Entwurf von Möbeln schon immer eine bedeutende Rolle.
Gesamtschärfe
Ganz besonders in der Architekturfotografie kommt es auf eine möglichst hohe Gesamtschärfe an. Für die Schärfe sind nicht so sehr die Anzahl der Pixel zuständig, sondern die Größe des Sensors und die Qualität des Objektives. Je größer der Sensor und je besser das Objektiv, umso besser auch die Gesamtschärfe im Bild. Natürlich gibt es zwischen einem Sensor, wie er in der Anfangszeit der digitalen Spiegelreflexkameras mit 6-8 Megapixel üblich war und einem Sensor mit 16, 20 oder sogar 50 Megapixel einen deutlichen Unterschied, den man allerdings erst bei mindestens hundertprozentiger Darstellung des Originalbilds sieht, in der erheblich verkleinerten Darstellung für das Web spielt es eine vernachlässigbare Rolle.
Seine höchste Abbildungsleistung erreicht ein Kleinbild-Objektiv bei Blende acht bis elf, das sind somit auch die idealen Blenden für Architekturfotografie. Wird wegen der Schärfentiefe noch stärker abgeblendet kommt es bereits bei Blende 16 zu einem Verlust an Gesamtschärfe durch die Lichtbeugung an der dann sehr kleinen Blendenöffnung. Ganz besonders im Bereich der Architekturfotografie sollten Sie generell nicht die Vollautomatik der Kamera wählen, sondern entweder vollkommen manuell belichten oder zumindest mit der Blendenvorwahl arbeiten.
Der Sensor erreicht seine maximale Schärfe nur mit seiner nativen Empfindlichkeit. Wenn man für Architekturfotos ohnehin ein Stativ dabei hat, sollte man selbst bei schlechten Lichtverhältnissen den ISO Wert vorgeben und nicht der Automatik überlassen. Denn höhere ISO Werte führen nicht nur zu einem mehr oder minder stark wahrnehmbaren Bildrauschen, sondern immer auch zu einem leichten Schärfeverlust.
Außer den Nachtaufnahmen und den Fotos aus der Schlosskirche Mühlheim sind jedoch sämtliche digitalen Fotos im Kapitel Architekturfotografie ohne Stativ entstanden.
Ein deutliches Plus an Schärfe wird bei aktuellen, hochwertigen digitalen Spiegelreflexkameras durch den Verzicht auf das Tiefpassfilter erreicht. Der Verzicht ist nur möglich, weil inzwischen Auflösungen von 16 Megapixel und mehr erreicht wurden. Das Tiefpassfilter war bei geringeren Auflösungen unverzichtbar, um Moiré zu vermeiden.
Da bei Architekturfotos in der Regel auch keine Bewegung im Bild ist, sollten Sie zusätzlich bei Belichtungszeiten länger als 1/30 Sekunde von der Spiegelvorauslösung Gebrauch machen und einen Fernauslöser benutzen, um jegliche Erschütterung der Kamera während der Aufnahme zu vermeiden.
Schärfentiefe / Tiefenschärfe
Um die Tiefenschärfe brauchen Sie sich in der Architekturfotografie meistens keine Gedanken zu machen, denn oft haben Sie ohnehin einen so großen Abstand zum Objekt, also beispielsweise einem kompletten Gebäude, das Sie die Entfernung auf unendlich stellen.
Architekturfotografie in Innenräumen
Natürliche Lichtsituation am Nachmittag im Kaiserdom zu Worms.
Diese Aufgabe ist noch anspruchsvoller als das Fotografieren von Gebäuden von außen. Denn meistens haben Sie noch weniger Platz und bekommen ganz selten den idealen Aufnahmestandort, um alles, was auf das Bild soll, selbst mit einem starken Weitwinkelobjektiv drauf zu bekommen.
Wenn auch noch Fenster im Bild sind, dann haben Sie erhebliche Kontrastunterschiede zwischen drinnen und draußen, die Sie nur mit einer Belichtungsreihe und HDR Fotografie meistern können. Oder alternativ mit einer Blitzanlage.
Zum Thema HDR Fotografie gibt es bereits ein Tutorial:
Nochmals schwieriger wird es, wenn Sie eine Kombination aus Teilpanoramafotos, um möglichst viel von dem Innenraum drauf zu bekommen und der HDR- Fotografie machen müssen.
Dazu sollten Sie zunächst sämtliche Fotos mit gleicher Belichtungsstufe zu jeweils einem Teilpanorama zusammenfügen, bevor Sie anschließend aus den mindestens drei Panoramafotos mit unterschiedlichen Belichtungsstufen das HDR Foto erstellen.
Das Licht in der Architekturfotografie
Das Licht spielt natürlich nicht nur bei Nachtaufnahmen eine Rolle, sondern ebenso tagsüber. Wenn man die Möglichkeit hat, mit den für das Objekt optimalen Lichtverhältnissen zu fotografieren, weil man ohnehin entweder länger vor Ort ist oder sich das Objekt in der Nähe befindet, dann sollte man zunächst einmal herausfinden, welche Lichtverhältnisse für das Objekt optimal sind.
Architektur wird von erfahrenen Architekten nämlich sogar den vorherrschenden Lichtverhältnissen angepasst. In einer Region, in der es meist bewölkten Himmel gibt, wie beispielsweise in der Bretagne, wird ein guter Architekt nicht ein Gebäude entwerfen, das erst, wenn es von der Sonne angestrahlt wird, seine Schönheit zum Ausdruck bringt. Und umgekehrt natürlich genauso, also beispielsweise im Mittelmeerraum.
Also sollte man sich ein Gebäude, das man fotografieren möchte, am besten bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen ansehen, man kann dabei, schließlich kosten digitale Fotos im Gegensatz zu ihren analogen Vorgängern nichts mehr, natürlich auch gleich Fotos machen.
Insbesondere, wenn die Sonne für ein architektonisches Objekt wichtig ist, spielt auch die Tageszeit eine erhebliche Rolle.
Es ist ein großer Unterschied, ob eine Fassade im Schatten liegt oder von der Sonne angestrahlt wird. Selbst eine nach Norden ausgerichtete Fassade bekommt im Sommer gegen Abend noch direktes Sonnenlicht ab.
Der Schatten benachbarter Gebäude spielt ebenfalls eine erhebliche Rolle, man sollte die Tageszeit also so wählen, dass Schatten benachbarter Gebäude oder Bäume nicht stören. Das muss nicht unbedingt die Mittagszeit sein, denn senkrecht von oben kommendes Licht ist nur selten das optimale Licht für Fotos.
Eine strukturierte Fassade benötigt Streiflicht, das durch seinen Schattenwurf Strukturen erst deutlich macht.
In der Architekturfotografie wie auch in der Landschafts-Fotografie ist man vom vorhandenen Licht abhängig. Hat man die Zeit und die Gelegenheit, das richtige Licht abzuwarten, um dann zu dem angepeilten architektonischen Objekt zu fahren, dann sollte man das auch nutzen. Eine ganz andere Situation ist natürlich auf Reisen gegeben, wenn man nur einen Tag oder sogar nur wenige Stunden vor Ort ist. Dann kann man oft nicht mehr als Erinnerungsfotos machen.
In der Innenarchitektur spielt das Licht natürlich auch eine ganz erhebliche Rolle. Denn, ein guter Architekt wird die Lichtverhältnisse vor Ort bereits bei der Planung berücksichtigen, so dass möglichst den gesamten Tag über durch die Fenster im Raum gute Lichtverhältnisse sind. Dennoch sind die Lichtverhältnisse natürlich sowohl von der Tageszeit als auch von wolkigem oder sonnigen Wetter abhängig und können einen Raum ganz unterschiedlich erscheinen lassen. Das gilt erst recht nach Einbruch der Dunkelheit für künstliches Licht, das über seine bloße Funktion hinaus, genügend hell zu sein, selbst ein wesentliches gestalterisches Element ist.
Perfekte Architekturfotos
Perfekte Architekturfotos sind nach wie vor eine Domäne der Großformatkamera auf dem Prinzip der optischen Bank. So ganz ausgedient die Großformatkamera mit dem Digitalrückteil oder dem klassischen Planfilm für anspruchsvollste Aufgaben noch nicht.
Doch dort, wo es nicht auf allerhöchste Qualität ankommt, können Sie durchaus mit einer normalen digitalen Kamera die Fotos schießen, aus denen anschließend in einem Bildbearbeitungsprogramm ein zumindest auf den ersten Blick perfekt wirkendes Architekturfoto entsteht.
Je sorgfältiger Sie dabei vorgehen, umso besser werden Ihre Ergebnisse.
Architekturfotos und das Recht
Beachten Sie bei Architekturfotos unbedingt die Panoramafreiheit. Machen Sie Architekturfotos von einem Privatgrundstück aus oder gar innerhalb des Gebäudes selbst, dann holen Sie entweder zuvor die erforderlichen Genehmigungen ein, aus Beweisgründen sollten diese schriftlich erfolgen, oder informieren sich bei öffentlichen Gebäuden und Parkanlagen über Einschränkungen bezüglich des Fotografierens.
Fotos von Gebäuden sind durch zwei Rechtsstatute geschützt, nämlich das Urheberrecht des Architekten, soweit nicht bereits verjährt und das Recht auf Privatsphäre.
Beides wird lediglich durch die so genannte Panoramafreiheit in Deutschland aufgehoben. Beachten Sie dazu die rechtlichen Hinweise auf der Webseite: Rechtliche Fragen rund um die Fotografie.
Bestimmt ein Grundstücksbesitzer, dass das Fotografieren auf seinem Grundstück und in seinem Gebäude ohne Genehmigung grundsätzlich verboten ist, dann haben Sie ein solches Fotografierverbot zu beachten, auch wenn die Fotos niemals veröffentlicht werden sollten.
Als Beispiel nehme ich hier Schloss und Schlosspark in Schwetzingen. Das Fotografieren des Schlosses und des Schlossparks von einer öffentlichen Straße aus, also innerhalb der Panoramafreiheit, kann nicht eingeschränkt werden. Doch sobald Sie die Anlage betreten, gelten die Nutzungsbedingungen für Schloss und Schlosspark. Nicht erst, wenn Sie durch den Erwerb einer Eintrittskarte die Nutzungsbedingungen als Geschäftsbedingungen akzeptiert haben.
Innerhalb des Schwetzinger Schlosses gilt ein absolutes Fotografierverbot, Ausnahmegenehmigungen können nur durch das Land Baden-Württemberg erteilt werden.
Im Schlosspark ist das Fotografieren erlaubt, jedoch bedarf jegliche gewerbliche Nutzung einer behördlichen Genehmigung. Das veröffentlichen von Fotos auf einer Webseite ist an sich noch keine gewerbliche Nutzung, solange die Webseite jedermann ohne Zahlung zugänglich ist. Ob es durch Werbung auf der Webseite bereits zu einer gewerblichen Nutzung kommt, ist zumindest umstritten. Werden die Fotos jedoch in einem kostenpflichtigen Mitgliederbereich der Webseite angeboten, sei es überhaupt oder dort in höherer Auflösung, liegt eine gewerbliche Nutzung vor, die genehmigungspflichtig ist.
Aus demselben Grund ist auch der Verkauf solcher Bilder über eine Bildagentur selbstverständlich eine gewerbliche Nutzung oder der Druck auf T-Shirts usw. und so fort.
Es ist völlig klar, bei diesen ganzen Genehmigungen geht es hauptsächlich um Geld. Geld, das der Grundstückseigentümer mit den Genehmigungen verdienen möchte.