Digital Fotokurs Brennweite
Die Brennweite eines Objektives als Gestaltungsmittel nutzen
Die verschiedenen Brennweiten dienen nicht nur einfach dazu, von einem feststehenden Aufnahmestandort aus entweder ein ganzes Panorama mit einem Weitwinkelobjektiv oder etwas weit entferntes, beispielsweise ein einzelnes Gebäude, mit einem Teleobjektiv zu fotografieren.
Die Brennweite eines Objektivs kann als direktes Gestaltungsmittel eingesetzt werden.
Der Anfänger versteht davon normalerweise nicht mehr, als das man mit einem Zoomobjektiv den Bildausschnitt verändern kann.
Doch abgesehen davon, dass man in ein Motiv hinein (Brennweite wird verlängert) oder heraus (Brennweite wird verkürzt) zoomen kann, um es größer oder kleiner werden zu lassen, haben die verschiedenen Brennweiten bestimmte optische Eigenschaften, die man für die Bildgestaltung nutzen kann.
Die gewählte Brennweite vom Weitwinkel bis zum Tele hat wesentlichen Einfuss auf den Bereich der Schärfentiefe, perspektivische Verzeichnungen und die räumliche Tiefenstaffelung. Die Brennweite gehört zu den spezifisch fototechnischen Mitteln der Bildgestaltung.
Für die Bildgestaltung in der Fotografie gibt es sowohl fototechnische Aspekte, wie die hier besprochenen Brennweiten, die Blende, die wichtig ist für die Gestaltung der Schärfentiefe und der Gesamtschärfe und die Belichtungszeit, die wichtig ist für die Darstellung von Bewegungen als auch allgemeine Gestaltungsregeln, wie Farben, Bildausschnitt mit den Besonderheiten der Diagonalen und dem goldenen Schnitt, die nicht spezifisch zur Fotografie gehören. Eine Mittelstellung nimmt das Licht ein, da es sowohl eine fototechnische Grundbedingung als auch ein wichtiges Gestaltungsmittel ist.
Die Brennweite ist vermutlich der für einen Anfänger schwierigste Bereich der fototechnischen Bildgestaltung, weil die verschiedenen Brennweiten sowohl absolute Eigenschaften mitbringen, die unabhängig vom Bildwinkel der Brennweite sind, als auch Eigenschaften besitzen, die sich auf den Bildwinkel des Objektivs beziehen . Doch nun Schritt für Schritt:
Was versteht man unter der Brennweite
Hier nur ganz kurz, weil es ausführlicher in der FAQ erklärt wird. Die Brennweite ist der Abstand zwischen der realen (beispielsweise bei einer Lupe) oder rechnerischen optischen Mitte eines Objektivs und der Projektionsfläche (in der Fotografie also der Sensor oder Film), der benötigt wird, um den Brennpunkt bei der Entfernungsseinsstellung unendlich exakt auf die Projektionsfläche zu legen.
Die Brennweite wird in Millimeter angegeben. Sie bezeichnet also diesen rechnerischen Abstand, der zu allem Überfluss noch nicht einmal etwas mit der Baulänge des Objektivs und dem Abstand des Objektivs von der Sensorebene zu tun haben muss.
Denn, das weiß jeder der ein Zoomobjektiv benutzt, das Objektiv wird nicht plötzlich kürzer, weil man eine kürzere Brennweite einstellt.
Bevor Zoomobjektive und Weitwinkelobjektive, deren Brennweite kürzer als der Abstand des Objektivs von der Sensorebene ist, entwickelt wurden, entsprach der gesamte optische Aufbau, also der Abstand der Blende innerhalb des Objektivs zur Film-Ebene tatsächlich der Brennweite des Objektivs.
Doch das ist lange her, inzwischen hat die Baulänge eines Objektivs nicht mehr sehr viel mit dem durch die Brennweite bestimmten Bildwinkel zu tun. Der Bildwinkel ist bei einem Zoomobjektiv variabel, ohne das sich die Baulänge des Objektivs außer im starken Telebereich wesentlich verändern würde. Bei einem Zoomobjektiv werden stattdessen innerhalb des Objektivs die Linsengruppen zueinander verschoben, wodurch sich der Bildwinkel und damit die rechnerische Brennweite verändern.
Die Brennweite des Objektivs hat mehrere Eigenschaften
Die bekannteste Eigenschaft ist der Bildwinkel eines Objektivs, der durch die Brennweite für ein bestimmtes Sensor- oder Filmformat definiert wird. Also, ob es sich um ein Weitwinkelobjektiv, ein Standardobjektiv oder ein Teleobjektiv handelt.
Durch den Bildwinkel werden weitere wichtige Eigenschaften vorgegeben, nämlich mögliche Verzeichnungen durch das Objektiv und die Tiefenstaffelung im Raum, also ob der Hintergrund im Verhältnis zum Vordergrund größer oder kleiner dargestellt wird. Darauf wird weiter unten bei den Eigenschaften der verschiedenen Brennweiten näher eingegangen.
Darüber hinaus haben die verschiedenen Brennweiten eine absolute Eigenschaft, die unabhängig vom Bildwinkel ist. Diese absolute Eigenschaft lässt sich in einem einfachen Merksatz darstellen:
Kurze Brennweite – große Schärfentiefe
lange Brennweite – geringe Schärfentiefe
Das ist zunächst mal nicht ganz einfach zu verstehen, weil man schließlich gelernt hat, dass eine kurze Brennweite für ein Weitwinkelobjektiv und einen lange Brennweite für ein Teleobjektiv steht. Wieso sind dann also bestimmte Eigenschaften der verschiedenen Brennweiten unabhängig vom Bildwinkel, also unabhängig davon, ob es sich um ein Weitwinkelobjektiv oder ein Teleobjektiv handelt?
In der Zeit der analogen Fotografie war das noch relativ einfach, genauer gesagt es erschien relativ einfach, weil es im Amateurbereich eigentlich nur ein Bildformat gab, das auf dem 35 mm Kinofilm basierende Kleinbildformat. Fotografen, die mit den anspruchsvolleren analogen Mittelformaten (4,5 x 6; 6 x 6; 6 x 7; 6 x 9), die auf dem Rollfim basieren oder sogar im Großformat mit Planfilm gearbeitet haben, wussten dass eine wesentliche Eigenschaft der verschiedenen Brennweiten, nämlich die Schärfentiefe, unabhängig vom Bildwinkel ist.
Schließlich brauchen Mittelformatkameras und erst recht Großformatkameras für einen dem Kleinbild entsprechenden Bildwinkel viel längere Brennweiten.
Doch der durchschnittliche Amateurfotograf, der mit einer Kleinbildkamera unterwegs war, setzte Bildwinkel und optische Eigenschaften eines Objektivs bzw. bei einem Zoomobjektiv die eingestellte Brennweite praktisch gleich. Was bezogen auf das Kleinbildformat natürlich auch stimmte.
Der weltberühmte Organist Lionel Rogg an der Walcker-Orgel der Cristuskirche Heidelberg
Seit Entwicklung der digitalen Fotografie mit ihren von einem vorgegebenen Filmformat unabhängigen Sensorgrößen und deshalb vielen verschiedenen Sensorgrößen vom winzigen Sensor eines Handys bis in das digitale Mittelformat kann man die optischen Eigenschaften einer Brennweite und ihren Bildwinkel nicht mehr gleichsetzen.
Die optischen Eigenschaften sind absolut und beziehen sich auf die tatsächliche Brennweite eines Objektivs.
Doch die Brennweite für einen bestimmten Bildwinkel ist von der Größe des Sensors abhängig. Je größer der Sensor, umso größer die Brennweite für denselben Bildwinkel.
Bei Sensoren, die deutlich kleiner sind als des APS Format, das als APS-A, B oder C in den meisten digitalen Spiegelreflexkameras unterhalb des Vollformats verwendet wird, ist die Brennweite für einen bestimmten Bildwinkel sehr viel kürzer als bei Kameras mit APS oder Vollformat Sensor.
Die bewußte Arbeit mit der Schärfentiefe erfordert jedoch mindestens 50 mm tatsächliche Brennweite. Bei kürzeren echten Brennweiten ist die Schärfentiefe so groß, dass sie sich selbst bei offener Blende über einen sehr weiten Bereich erstreckt. Bei Brennweiten unterhalb 20 mm reicht die Schärfentiefe selbst bei offener Blende von vorne bis hinten.
Die beiden Grafiken zeigen für 2 Sensorgrößen die Bildwinkel für jeweils diesselbe Brennweite.
Hier sind exemplarisch 2 verschiedene Sensorgrößen mit derselben Brennweite 18 mm dargestellt. Einmal ein Sensor im Vollformat mit 24 x 36 mm und die typische Sensorgröße einer etwas besseren Pocket- bzw. Bridgekamera mit 7,2 x 5,3 mm. An der Vollformatkamera ist 18 mm bereits ein extremes Weitwinkelobjektiv, mit dem kleineren Sensor wird diesselbe Brennweite zu einem leichten Teleobjektiv.
In der zweiten Grafik dasselbe mit 35 mm Brennweite. Für das Vollformat wäre diese Brennweite ein moderates Weitwinkel, am kleineren Sensor wird daraus ein starkes Teleobjektiv, dessen Brennweite umgerechnet ca. 180 mm beträgt.
Mit dem kleineren Sensor hat man selbst im starken Telebereich bezüglich seiner Schärfentiefe noch ein Weitwinkelobjektiv.
Der Bildgestaltung mit der Schärfentiefe ist ein eigenes Kapitel gewidmet, die Tiefenschärfe.
Da Brennweite und Schärfentiefe jedoch untrennbar zusammengehören, wird bei den Eigenschaften der verschiedenen Brennweiten darauf noch näher eingegangen.
Der APS Sensor und der Bildwinkel
Dieses Kapitel ist besonders wichtig, wenn man eine digitale Kamera mit einem APS Sensor besitzt. Da der APS Sensor kleiner ist als das Vollformat, dennoch die meisten Objektive, die bei Kameras mit einem APS Sensor genutzt werden, für das Kleinbildformat (entspricht dem digitalen Vollformat) entwickelt worden sind, werden von einem APS Sensor nur zwei Drittel des Bildwinkels am Vollformat benutzt.
Deshalb muss man für einen dem Vollformat vergleichbaren Bildwinkel die Brennweite um 50 % verlängern. Also wird aus einem Kleinbildobjektiv mit 100 mm Brennweite mit einem APS Sensor ein stärkeres Teleobjektiv mit 150 mm scheinbarer Brennweite. Dasselbe gilt natürlich für alle anderen Brennweiten, ein 200 mm Objektiv wird zum 300 mm Objektiv, wird also ein deutlich stärkeres Tele, es gilt natürlich auch im Weitwinkel-Bereich, aus einem starken Weitwinkelobjektiv mit 18 mm Brennweite wird durch den APS Sensor ein mittleres Weitwinkelobjektiv mit 27 mm Brennweite.
Das bezieht sich jedoch nur auf den im Verhältnis zum Vollformat nicht vollständig genutzten Bildwinkel, nicht auf die optischen Eigenschaften eines Objektivs. Die optischen Eigenschaften bleiben gleich. Das gilt insbesondere für die Schärfentiefe, räumliche Tiefenstaffelung, perspektivische Verjüngung und mögliche Verzeichnungen, Letztere besonders bei starken Weitwinkelobjektiven.
Daraus folgt, dass Kameras mit APS Sensor im Weitwinkel-Bereich grundsätzliche Nachteile gegenüber dem Vollformat haben. Denn man kann den Weitwinkel-Bereich eines Objektivs nicht wirklich nutzen.
Im Telebereich wiederum hat der APS Sensor sogar Vorteile gegenüber dem Vollformat, weil man eine um 50 % längere scheinbare Brennweite hat, ohne die Nachteile einer tatsächlich 50 % längeren Brennweite, nämlich geringere Lichtstärke, geringere Schärfentiefe und Unschärfen im Randbereich. Der Randbereich wird schließlich von dem kleineren Sensor erst gar nicht erfasst.
Portraits und der APS Sensor
Ein weit verbreiteter Irrtum folgt aus dem Missverständnis der Brennweitenumrechnung. Die Brennweitenumrechnung führt schließlich nur zu einem kleineren Bildwinkel, nicht jedoch zu veränderten optischen Eigenschaften des verwendeten Objektivs. Die optischen Eigenschaften, das gilt ganz besonders für die Schärfentiefe, sind von der tatsächlichen Brennweite abhängig. Ein lichtstarkes 50 mm Objektiv bleibt bezüglich seiner optischen Eigenschaften auch bei einer Kamera mit einem APS Sensor ein 50 mm Objektiv mit allen Vor- und Nachteilen dieser Brennweite. Weil 80 mm Brennweite als typische Portraitbrennweite gilt, werden an einem APS Sensor oft 50 mm Festbrennweiten als Portraitobjektiv benutzt, denn durch die Umrechnung wird doch schließlich ein 75 mm Objektiv daraus. Doch das ist ein Irrtum.
Es hat gute Gründe, warum die Standartbrennweite 50mm nicht gerne für Portraits benutzt wird und sich stattdessen ein leichtes Tele mit 80 mm Brennweite zum typischen Portraitobjektiv entwickelte. Der kleinere Bildwinkel gegenüber der Standartbrennweite ist nur einer dieser Gründe und zugleich der unwichtigste. Bei einem Portraitobjektiv geht es um Schärfentiefe und das vermeiden von Verzeichnungen. Denn sowohl bezüglich der Schärfentiefe als auch der Verzeichnungen steht die Standartbrennweite 50 mm einem Weitwinkelobjektiv deutlich näher als einem leichten Tele.
Diese guten Gründe sprechen ganz klar gegen ein 50 mm Objektiv als Portraitobjektiv an einem APS Sensor. Die 75 mm scheinbare Brennweite durch Umrechnung bezieht sich nur auf den nur zu 2/3 genutzten Bildwinkel.
Gegenüber einem noch stärkeren Teleobjektiv hat das typische Portraitobjektiv wiederum einige Vorteile: Bessere Lichtstärke, hervorragende Gesamtschärfe, leichter und unproblematisch mit Belichtungszeiten länger als1/125 sec.
Gute Portraits mit einer Kamera mit APS Sensor erfordern echte und nicht umgerechnete Portraitbrennweiten. Wegen des kleineren Bildwinkels gegenüber dem Vollformat, für das diese Objektive schließlich entwickelt wurden, hat der APS Sensor den Nachteil eines größeren erforderlichen Abstands zum Model, was im kleinen Heimstudio schwierig sein kann. Denn es war gerade auch der erforderlich Mindestabstand zum Model, der das 80 mm Objektiv zum Standartportraitobjektiv machte.
Ich benutze gelegentlich ein sehr lichtstarkes Objektiv mit 135 mm Brennweite für Outdoorportraits. Da auch ich eine Kamera mit APS Sensor habe, wird daraus bezüglich des Bildwinkels ein starkes Tele mit 202,5 mm scheinbarer Brennweite. Solange es bei Portraits bleibt, ist diese Brennweite gut zu handhaben, doch wenn man das Model komplett aufs Bild bringen will, braucht man schon gut 10 m Abstand, was die Verständigung nicht gerade leichter macht. Das ist einer der Gründe, warum sich 80 mm und nicht deutlich stärkere Teleobjektive mit noch geringerer Schärfentiefe als Portraitbrennweite durchgesetzt haben.
Lionel Rogg aus einer anderen Perspektive. Würde man in einem solchen Fall zu einem starken Weitwinkelobjektiv greifen, dann hätte man die Orgelpfeifen nicht mehr annährend parallel zum Bildrand sondern als störende, ins Bild hinein stürzende Linien.
Die Schärfentiefe und der APS Sensor
Für Missverständnisse können Angaben sorgen, die sowohl in der Wikipedia als auch auf den Webseiten von Kameraherstellern gemacht werden. Denn dort heißt es, dass die Schärfentiefe eines Objektivs sich an einem APS Sensor anders verhalten würde als an einer Kamera mit einem Vollformat-Sensor. Es heißt weiter, dass für vergleichbare Fotos die Blende um eine volle Stufe gegenüber dem Vollformat Sensor geschlossen werden müsste.
Doch diese Angaben beziehen sich nur auf das Bokeh. Unter Bokeh versteht man die Darstellung von Unschärfen in einem Foto. Tatsächlich ändert sich nämlich durch den kleineren Blickwinkel das Bokeh und wird etwas grober als an einer Kamera mit einem Vollformat-Sensor. Der eigentliche Bereich der Schärfentiefe, also wie weit vor und hinter der Schärfeebene ein Objektiv abhängig von der gewählten Blende noch scharf zeichnet, ändert sich jedoch nicht.
Grundsätzliche Definitionen für die nachfolgenden Kapitel: Brennweiten und Bildgestaltung
Sämtliche Brennweitenangaben beziehen sich auf das Kleinbildformat bzw. das gleich große digitale Vollformat.
Wer eine Kamera mit einem kleineren oder größeren Sensor als das digitale Vollformat besitzt, muss die Brennweiten bezüglich des Bildwinkels jeweils umrechnen. Eine gute Umrechnungstabelle findet sich auf Wikipedia Da sich die Umrechnung immer nur auf den Bildwinkel bezieht und nicht auf die absoluten optischen Eigenschaften einer bestimmten Brennweite, gelten Aussagen zur Schärfentiefe nur für das Vollformat.
Alle anderen Angaben, die sich aus dem Bildwinkel ergeben, treffen jedoch sinngemäß für jede Sensorgröße zu. Mit der Ausnahme APS Sensor, denn außer den wenigen, inzwischen definitiv für das APS Format entwickelten Objektiven, werden bei einer Kamera mit einem APS Sensor Objektive verwendet, die für das Kleinbildformat entwickelt wurden, so dass auch die ursprünglichen optischen Eigenschaften gleich bleiben und in diesem Fall nicht die umgerechnete, sondern die tatsächliche Brennweite maßgebend ist.
Belichtungszeit und Teleobjektive
Die umgerechnete Brennweite wiederum ist wichtig für die Einstellung der Belichtungszeiten. Dafür gibt es eine Faustformel, die sich ausschließlich auf den tatsächlich genutzten Bildwinkel und nicht auf die tatsächliche Brennweite bezieht.
Die Faustformel besagt, dass man keine längere Belichtungszeit als die halbe Brennweite verwenden soll.
Diese Faustformel bezieht sich auf die Brennweiten von Kleinbildobjektiven.
Bei Kameras mit einem kleineren oder größeren Sensor muss die Brennweite umgerechnet werden, um die Faustformel anwenden zu können. Denn es geht bei dieser Faustformel nicht um die absoluten Eigenschaften einer Brennweite, sondern um den Bildwinkel. Je kleiner der Bildwinkel ist, umso mehr machen sich selbst leichteste Erschütterungen der Kamera als Unschärfe bemerkbar. Das kann man mit genügend kurzen Belichtungszeiten vermeiden.
Bei vielen Bridge Kameras und Spiegellosen Systemkameras gibt es auf dem Objektiv zwei verschiedene Brennweitenangaben, einmal die tatsächliche Brennweite und außerdem die auf das Kleinbildformat umgerechnete Brennweiten. Die tatsächliche Brennweite ist für die optischen Eigenschaften des Objektivs wichtig, also beispielsweise die Schärfentiefe, die für das Kleinbildformat umgerechnete Brennweite bezeichnet den Bildwinkel des Objektivs, um die Faustformel anwenden zu können.
Das bedeutet, bei einer auf das Kleinbildformat umgerechneten Brennweite von beispielsweise 200 mm ist die längste Belichtungszeit, die noch aus freier Hand zu scharfen Fotos führt, die 1/100 sec. bzw. bei Kameras mit den früher gebräuchlichen vollen Abstufungen 1/125 sec. Bei den weit verbreiteten Zoomobjektiven mit 80-200 mm Brennweite bedeutet das im Fall eines APS Sensors und 200 mm eingestellter Brennweite eine kürzest mögliche Belichtungszeit von 1/150 sec. bzw. bei Kameras mit vollen Belichtungszeit-Stufen die nächst kürzere Belichtungszeit, also 1/250 sec., weil die Umrechnung eine scheinbare Brennweite von 300 mm ergibt.
Für alle noch längeren Brennweiten sollte man möglichst ein Stativ benutzen. Die Faustformel gilt übrigens so nur für jemanden, der eine ruhige Hand hat und dessen Kamera gut in der Hand liegt. Sonst sollte man sicherheitshalber eine noch kürzere Belichtungszeit wählen.
Mit einem Bildstabilisator können deutlich längere Belichtungszeiten realisiert werden, ohne dass das Foto durch eine Bewegungsunschärfe (verwackeln) des Fotografen unscharf wird. Doch gerade im Bereich der stärkeren Teleobjektive sollte man selbst mit einem Bildstabilisator die Faustregel beherzigen um keine bittere Enttäuschung zu erleben.
Am besten selbst ausprobieren, denn die lägst mögliche Belichtungszeit für ein Teleobjektiv hängt natürlich wesentlich von der Ruhe der eigenen Hände ab.
Doch nun endgültig zur Bildgestaltung mit den verschiedenen Brennweiten. Nochmals, sämtliche ab hier gemachten Angaben beziehen sich auf das digitale Vollformat bzw. das analoge Vorbild, das Kleinbildformat. Auf die Besonderheiten anderer Sensorformate, insbesondere die Problematik mit dem APS Sensor wird anschließend nicht mehr eingegangen.
Die verschiedenen Brennweiten für die Bildgestaltung nutzen
Die beiden grundsätzlichen Regeln:
Kurze Brennweiten haben einen sehr großen Bildwinkel, lange Brennweiten haben einen sehr kleinen Bildwinkel. (Diese Regel hängt von der Sensorgröße einer Kamera ab. Vergleichbarkeit immer nur mit auf das Vollformat umgerechneten scheinbaren Brennweiten.)
Kurze Brennweiten haben eine sehr große Schärfentiefe, lange Brennweiten haben eine sehr geringe Schärfentiefe.
Die zweite Regel gilt unabhängig vom tatsächlichen Bildwinkel, es handelt sich um die absolute Eigenschaft einer Brennweite.
Die Eigenschaften der Brennweiten abhängig vom Bildwinkel
Kurze Brennweiten, Weitwinkelobjektiv |
Lange Brennweiten, Teleobjektiv | |
Bildwinkel | Großer Bildwinkel bis hin zu 180° bei einem Fisheye Objektiv. | je länger die Brennweite, umso kleiner der Bildwinkel bis hin zu extremen Teleobjektiven, die fast schon ein Teleskop sind. |
Tiefenstaffelung | die Objekte werden sehr weit auseinander gezogen, scheinen wesentlich weiter voneinander entfernt zu sein als in der Realität. | die länger die Brennweite, umso mehr werden Vordergrund und Hintergrund optisch zusammen geschoben. |
Vordergrund – Hintergrund: | Objekte im Vordergrund werden überdimensional groß dargestellt, je weiter entfernt, umso kleiner. | Objekte im Hintergrund werden im Verhältnis zum Vordergrund sehr groß dargestellt. |
Perspektivische Verjüngung: | umso größer der Bildwinkel, umso größer die perspektivische Verjüngung. Selbst ein breiter Fluss wird im Hintergrund zu einem schmalen Strich. | je größer die Brennweite, umso geringer fällt die perspektivische Verjüngung aus, ein breiter Fluss bleibt auch im Hintergrund ein breiter Fluss. |
Stürzende Linien in der Architekturfotografie: | je größer der Bildwinkel, umso stärker die stürzenden Linien. | je länger die Brennweite, umso geringer die stürzenden Linien. |
Verzeichnung: | starke Weitwinkelobjektive neigen zu einer tonnenförmigen Verzeichnung, waagrechte und senkrechte Linien werden nach außen gewölbt. | Tele-Objektive ab etwa 80 mm Brennweite (Vollformat) verzeichnen nahezu nicht mehr. |
Belichtungszeit: | bis hin zur so genannten Normalbrennweite mit 50 mm Brennweite bezogen auf das Vollformat (Kleinbildformat) braucht man darauf keine besondere Rücksicht zu nehmen, ohne Bildstabilisator gelingen mit einer halbwegs ruhigen Hand verwacklungsfreie Fotos noch mit 1/30 Sekunde. |
*² ab etwa 80 mm Brennweite gilt eine Faustformel, wenn die Fotos nicht verwackelt sein sollen.
Die Belichtungszeit soll mindestens der halben Brennweite entsprechen, besser noch kürzer sein. Für kleinere Sensoren als Vollformat muss für diese Faustformel die Brennweite mit dem Cropfaktor umgerechnet werden.
Wenn man, insbesondere dann, wenn man keinen Bildstabilisator besitzt oder stattdessen ein Stativ verwendet, auf der sicheren Seite sein will, dann soll die Belichtungszeit nicht länger sein als die Brennweite.
Bei sehr starken Teleobjektiven kann selbst eine solche Belichtungszeit noch zu lang sein, ab umgerechnet 200 mm Brennweite sollte man eigentlich immer ein Stativ benutzen, außer, man hat einen sehr guten Bildstabilisator. |
*²
Warum man bei Teleobjektiven kürzere Belichtungszeiten als bei anderen Objektiven braucht, kann jeder mit einem Fernglas selbst nachvollziehen. Je stärker das Fernglas ist, umso stärker und schneller zittert das Bild. Das hat etwas mit dem kleinen Bildwinkel zu tun, bei dem sich bereits geringste Erschütterungen deutlich bemerkbar machen. Eine sehr kurze Belichtungszeit ist schneller als die Erschütterung, man bekommt scharfe Fotos. Dafür braucht man natürlich auch viel Licht, deshalb besser bei langen Brennweiten (auch umgerechnet langen Brennweiten) ein gutes Stativ benutzen.
Natürlich sind die Übergänge zwischen Weiwinkel- und Teleobjektiv fließend. Absolute Aussagen würden sich höchstens zu den beiden Extremen am jeweiligen Ende der Skala machen lassen.
Die so genannte Normalbrennweite (50 mm Standartobjektiv) steht mit ihren optischen Eigenschaften einem Weitwinkelobjektiv näher als einem leichten Teleobjektiv.
Die Brennweite für die Gestaltung nutzen
Vordergrund - Hintergrund
Will man viel Hintergrund und den auch noch möglichst scharf?
Dann nimmt man eine kurze Brennweite und eine kleine Blende.
Sie möchten ein Objekt, z.B. ein Portrait annähernd formatfüllend fotografieren. Beim Weitwinkel bekommen Sie viel Hintergrund mit aufs Foto, der zudem ebenso scharf wie das Objekt im Vordergrund ist.
Sie möchten ein Portrait machen und der Hintergrund soll nicht stören? Dann nimmt man eine lange Brennweite und eine größere Blendenöffnung.
Durch den engen Bildwinkel des Teleobjektivs wird bei gleicher Größe des Objekts im Vordergrund nur noch ein kleiner Teil des Hintergrunds abgebildet, der mit wachsender Entfernung vom bildwichtigsten Objekt zunehmend unschärfer wird.
Beispielfotos mit 3 unterschiedlichen Brennweiten
Der Kopf meines Demomodels ist in allen 3 Fotos annähernd gleich groß. Für solche Übungen ist eine Modepuppe sehr gut geeignet, weil sie geduldig alles mitmacht. Alle 3 Fotos mit derselbem Belichtungseinstellung (Blende 6,5 bei 1/125 sec). Aufhellung des Übungsmodels mit meiner Blitzanlage.
Brennweite 28 mm, Bildwinkel entspricht 42 mm bei Vollformat.
Brennweite 80 mm, Bildwinkel entspricht 120 mm bei Vollformat.
Brennweite 180 mm, Bildwinkel entspricht 270 mm bei Vollformat.
Bleiben wir beim beispielhaften Portrait. Die große Schärfentiefe des Weitwinkelobjektivs hebt das Gesicht im Vordergrund nicht bereits durch den Gegensatz Schärfe / Unschärfe vom Hintergrund ab, vielmehr wird das Gesicht im Vordergrund gleichberechtigter Teil des gesamten Fotos. Der Blick wird nicht so sehr vom Gesicht, um das es doch eigentlich geht, sondern von dem weißen Haus rechts im Hintergrund angezogen oder abgelenkt.
Erwünscht bei Erinnerungsfotos, wenn man den Lieben zuhause zeigen will: "Schaut, dort waren wir!" Ebenfalls bedingt erwünscht bei Reportagen, das Geschehen im Hintergrund, beispielsweise die Zerstörung durch Krieg oder Naturgewalten soll deutlich mit aufs Bild. In der Porträtfotografie eher die Ausnahme. Denn es ist für den Betrachter eines Fotos oft verwirrend, wenn das bildwichtige Objekt im Vordergrund ebenso scharf ist wie der Hintergrund. Das Auge irrt hilflos im Foto hin und her und findet keinen Ruhepunkt. So sollte man keine Portraits machen.
Da beim Weitwinkelobjektiv viel vom Hintergrund mit aufs Foto kommt, werden die Objekte im Hintergrund im Verhältnis zum Vordergrund sehr klein und scheinen sehr weit entfernt zu sein.
Deutlich besser sieht es bei diesem Beispiel mit 80 mm Brennweite aus, doch der Hintergrund lenkt immer noch vom Gesicht ab.
Ein schönes Portrait entsteht bei einem so unruhigen Hintergrund erst mit einem deutlich stärkeren Teleobjektiv, denn so lenkt nichts mehr den Blick des Betrachters vom Gesicht ab.
Durch den engen Bildwinkel des Teleobjektivs werden Objekte im Hintergrund sehr groß und scheinen gleichzeitig viel näher am Vordergrund zu sein, die Abstände in der Tiefenstaffelung werden deutlich verkürzt.
Bei den 3 Bildbeispielen oben sollten Sie nicht auf die umgerechnete scheinbare Brennweite, sondern die tatsächliche Brennweite achten. Das gilt besonders für das oberste Foto mit 28 mm Brennweite. Denn bei diesen Beispielen geht es nicht um den Bildwinkel durch Umrechnung (das macht nur den Bildausschnitt kleiner als bei Vollformat), sondern um Schärfentiefe und Tiefenstaffelung. Beides hat nichts mit der Umrechnung, sondern der tatsächlichen Brennweite zu tun.
Portraitobjektiv
Ein typisches Portraitobjektiv mit ca. 80 mm Brennweite wird nicht wegen des gegenüber einem Normalobjektiv kleineren Bildwinkels gerne für Portraits benutzt, sondern wegen der gegenüber einem Normalobjektiv bereits deutlich geringeren Schärfentiefe. Andererseits ist die Brennweite noch nicht so groß, dass man für ein formatfüllendes Portrait mehrere Meter Abstand braucht und man deshalb ein ziemlich großes Studio bräuchte.
Portrait mit 80 mm Brennweite an einer Pentax mit APS Sensor. Die Umrechnung ergibt eine scheinbare Brennweite von 120 mm, doch das bezieht sich nur auf den Bildwinkel, also einem dem Kleinbildformat entsprechenden Bildausschnitt. Die Schärfentiefe ändert sich durch die Umrechnung nicht.
Die Eigenschaften der verschiedenen Brennweiten
Weitwinkelobjektive
Weitwinkelobjektive haben, der Name sagt es schon, einen gegenüber der Standardbrennweite von 50 mm vergrößerten Bildwinkel. Je kleiner die Brennweite, umso größer ist der Bildwinkel bis hin zu 180° bei einem Fisheye Objektiv.
Tiefenstaffelung
Der größere Bildwinkel bedingt, dass die Abstände in der Tiefen-Staffelung zwischen den einzelnen Bildobjekten erheblich zunehmen. Beispielsweise kann der recht schmale Neckar, wenn man Heidelberger Altstadt und Heidelberger Schloss vom gegenüberliegenden Neckarufer aus fotografiert, mit einem starken Weitwinkelobjektiv wie ein breiter Fluß wirken. Das Schloss scheint weit entfernt vom Ufer und der Altstadt, tatsächlich jedoch liegt es auf einer natürlichen Terasse mit steil zur Altstadt abfallenden Hängen genau oberhalb der Altstadt.
Der größere Bildwinkel und die Staffelung in der Tiefe bewirkt ebenfalls, dass alles, was im Vordergrund ist, überdimensional groß dargestellt wird. So wird auch aus dem doch eher schmalen Neckar plötzlich ein Ozean. Aus diesem Grund verbieten sich, es sei denn man möchte genau das als Effekt, Weitwinkelobjektive ganz generell in der Porträt und Akt-Fotografie, denn eine Nase würde beispielsweise sehr unvorteilhaft riesig vergrößert.
Mit Weitwinkelobjektiven kann man jedoch einen Sportwagen besonders dynamisch fotografieren, wenn man die Perspektive so wählt, dass Kühlergrill und Motorhaube besonders wuchtig erscheinen. (Schräg von vorne und die Kamera tiefer als die Stoßstange.) Man kann also die optischen Eigenschaften kurzer Brennweiten sehr gezielt zur Bildgestaltung einsetzen.
Schärfentiefe
Weitwinkelobjektive haben eine große Tiefenschärfe. Extreme Weitwinkelobjektive mit Bildwinkeln oberhalb 100° haben deshalb noch nicht einmal mehr eine Entfernungseinstellung, sie zeichnen ohnehin von hinten bis vorne restlos alles scharf. Je kleiner die Brennweite, umso größer die Tiefenschärfe.
Perspektivische Verjüngung
Je größer der Bildwinkel, umso stärker fällt die perspektivische Verjüngung aus. Bei Straßen, Flüssen und ähnlichen Bildbestandteilen, die sich von vorne nach hinten erstrecken, fällt das besonders auf.
Perspektivische Verjüngung mit 18mm Brennweite. Der Weg wird nach hinten deutlich schmaler. Das Foto entstand mit dem Kitobjektiv meiner ersten Pentax.
Sie sind im Vordergrund sehr breit und werden im Hintergrund zu einem schmalen Strich. Bedingt ist das durch den großen Bildwinkel. Mit wachsender Entfernung kommt immer mehr Hintergrund mit aufs Foto, entprechend kleiner wird mit wachsender Entfernung alles dargestellt. Dadurch entstehen auch die stürzenden Linien.
Selbst mit einem moderaten Weitwinkelobjektiv mit 31 mm Brennweite bereits eine starke perspektivische Verjüngung. Dieses Foto entstand im Vatikanischen Museum.
Stürzende Linien
Je größer der Bildwinkel und somit je kürzer die Brennweite, umso stärker machen sich stürzende Linien bemerkbar.
Selbst mit einem moderaten Weitwinkel (39 mm Brennweite) gibt es bei diesem steilen Aufnahmewinkel starke stürzende Linien. In diesem Fall waren sie ausdrücklich erwünscht, denn dieses Foto war die Grundlage eines Plakats.
Denn, stürzende Linien sind eigentlich nur ein Sonderfall der perspektivischen Verjüngung. Wird die Kamera schräg nach oben ausgerichtet, kommt mit wachsender Entfernung immer mehr Hintergrund mit aufs Foto, das eigentliche Bildmotiv muss diesem Hintergrund im Foto gewissermaßen Platz machen und wird deshalb mit wachsender Entfernung nach oben vom Kamerastandort immer schmaler.
Näheres zu stürzenden Linien in der Architekturfotografie.
Weitgehend vermeiden lassen sich stürzende Linien mit einem Shiftobjektiv.
Tonnenförmige Verzeichnung
Je stärker ein Weitwinkelobjektiv ist, umso ausgeprägter werden tonnenförmige Verzeichnungen. Auch deshalb nimmt man für Portrait und Akt keine Weitwinkelobjektive.
Die Standardbrennweite
Die Standardbrennweite mit 50 mm soll angeblich unserer Wahrnehmung entsprechen, so hat es uns jahrzehntelang die Kamera-Industrie suggeriert.
Dass 50 mm Brennweite zur Standard Brennweite wurde, hat jedoch technische Gründe, die insbesondere durch die mindest erforderliche Bautiefe für eine Kleinbild Spiegelreflexkamera bedingt sind. Auf diese technischen Gründe möchte ich hier nicht weiter eingehen, falls es Sie interessiert, steht einiges dazu in der FAQ im Kapitel Brennweite.
Tatsächlich haben wir nämlich eine ganz andere optische Wahrnehmung. Wir haben ein Sehfeld von annähernd 180°, nehmen davon jedoch nur 7 % scharf wahr.
Zoomobjektiv mit 53 mm Brennweite. Bezüglich der optischen Eigenschaften die Standartbrennweite, jedoch am APS Sensor mit einem Bildwinkel, der einem Objektiv mit 79 mm Brennweite entspricht. Bei diesem Foto kam das Polfilter zum Einsatz.
Das fällt uns selbst normalerweise gar nicht so sehr auf, weil unsere Augen ständig in Bewegung sind und selbst dann, wenn wir konzentriert beispielsweise am Monitor arbeiten, unsere Augen dennoch immer wieder die weitere Umgebung abtasten.
Ein 50 mm Objektiv entspricht deshalb mit Sicherheit nicht unserer eigenen optischen Wahrnehmung. Bezogen auf die 7 %, die wir aus unserem gesamten sehr großen Sehfeld tatsächlich konzentriert wahrnehmen, ist der Bildwinkel eines 50 mm Objektives viel zu groß, dem entspricht eher ein mittleres Teleobjektiv, bezogen auf unser gesamtes Sehfeld ist der Bildwinkel deutlich zu klein.
Dennoch haben Brennweiten um die 50 mm eine Gemeinsamkeit mit unserer eigenen optischen Wahrnehmung, nämlich die Größenverhältnisse in der Tiefenstaffelung. Wer also Wert darauf legt, dass die Größenverhältnisse der Tiefenstaffelung durch ein Foto nicht verfälscht werden, ist mit der Standardbrennweite gut bedient.
Dieses Portrait von Sabrina entstand mit 50 mm Brennweite. Umgerechnet wegen dem APS Sensor meiner Kamera zwar 75 mm Brennweite, das bezieht sich jedoch nur auf den Bildwinkel, nicht auf die optischen Eigenschaften Schärfentiefe und Verzeichnungen.
Die schon über ein halbes Jahrhundert währende Entwicklung der 50 mm Brennweite als Standardbrennweite hat ganz nebenbei auch dazu geführt, dass für diese Brennweite die leistungsstärksten Objektive entwickelt wurden. Und zwar sowohl bezüglich der Lichtstärke als auch der Schärfeleistung.
Beste Schärfeleistung und Lichtstärke
Ein gutes, lichtstarkes Standardobjektiv ist nach wie vor in diesem Brennweitenbereich jedem Zoomobjektiv weit überlegen. Somit ist die Standardbrennweite als Festbrennweite das optimale Objektiv, wenn es um maximale Schärfe geht.
Das gilt jedoch nur für Festbrennweiten, nicht für Zoom-Objektive, die inzwischen eigentlich der Standard sind. Durch den völlig anderen technischen Aufbau gelten Aussagen für Festbrennweiten nur sehr bedingt für denselben Brennweiten Bereich eines Zoomobjektivs.
Schärfe und Schärfentiefe
Schärfeleistung und Schärfentiefe werden oft als dasselbe verstanden, obwohl es sich bei der Schärfentiefe nur um den Bereich handelt, der vor und hinter der eigentlichen Schärfenebene, also worauf das Objektiv fokussiert wurde, noch scharf gezeichnet wird. Doch wie scharf etwas in der Schärfeebene gezeichnet wird, hängt von der Schärfeleistung des Objektivs und nicht von seiner Schärfentiefe ab. Die Schärfeleistung ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen hochwertigen und billigen Objektiven, während die Schärfentiefe (also wie weit die Schärfe reicht) fast ausschließlich von der Brennweite und der eingestellten Blende abhängt, egal ob es sich um ein billiges oder besonders hochwertiges Objektiv handelt.
Die Schärfentiefe kann niemals besser als die bestmögliche Schärfeleistung eines Objektivs sein. Bei der Beurteilung der Schärfe geht es um die Schärfe in der Schärfenebene, also worauf das Objektiv scharfgestellt (fokussiert) wurde. Die maximale Schärfe hat ein Kleinbildobjektiv bei mittleren Blenden (Blendenwerte zwischen 8 und 11). Durch weiteres Schließen der Blende auf Blende 16 oder sogar 22 wird zwar die Schärfentiefe noch erweitert (also der Bereich vor und hinter der Schärfeebene), die eigentliche Schärfe nimmt jedoch gleichzeitig wieder ab, weil es an der kleinen Blendenöffnung zu Beugungserscheinungen des Lichts kommt, die zu einer Verringerung der Schärfe führen. Das zeigt besonders deutlich, dass Gesamtschärfe und Schärfentiefe nicht dasselbe sind. Bei sehr kleinen Blenden erhöht sich nicht die Schärfe gegenüber der optimalen Blendenöffnung, ganz im Gegenteil, die Schärfe ist geringer, doch diese geringere Schärfe wird über einen größeren Tiefen-Bereich ausgedehnt.
Die Vorteile der Standardbrennweite für die Bildgestaltung nutzen
Die Standardbrennweite, insbesondere als Festbrennweite, kann ihre besonderen Vorteile, nämlich Schärfeleistung und unserer eigenen Wahrnehmung weit gehend entsprechende Tiefenstaffelung in allen fotografischen Bereichen ausspielen, bei denen es um mindestens eines dieser beiden Qualitätsmerkmale geht.
Die Fotoserie, aus der diese beiden Fotos stammen, machte ich bei den jährlich stattfindenden Ritterfestspielen in Hirschhorn am Neckar. Um mit natürlichem Licht zu noch halbwegs akzeptablen Belichtungzeiten zu kommen, verwendete ich ein sehr lichtstarkes Objektiv mit 50mm Festbrennweite und Lichtstärke 1:1,7 bei 1/90 Sekunde. Für die schnellen Bewegungen, die für das Ausbalancieren der Glaskugel erforderlich waren, war auch die neunzigstel Sekunde noch viel zu lang belichtet. Da meine frühere Pentax K 200 jedoch keine höhere Empfindlichkeit als ISO 1600 ermöglichte und auch das nur mit massivem Bildrauschen, ging trotz des Hochleistungsobjektivs auch keine noch kürzere Belichtungszeit.
Die starken Bewegungsunschärfen in der rechten Hand der Feuertänzerin sind nicht zu übersehen.
Als besonders lichtstarke Standard Festbrennweite darüber hinaus in allen fotografischen Situationen, in denen wir ein besonders lichtstarkes Objektiv benötigen und Bildwinkel sowie Schärfentiefe zweitrangig sind.
Hier stimmen die Größenverhältnisse Vordergrund zu Hintergrund weitgehend und entsprechen unserer Wahrnehmung. Das gilt auch für die Tiefenstaffelung.
Optimal ist die Standardbrennweite beispielsweise für Motive wie das hier beispielhaft gezeigte Foto der alten Brücke in Heidelberg mit dem Schloss im Hintergrund. Die Schärfentiefe ist bei einem solchen Motiv selbst bei mittlerer Blende mehr als ausreichend, um eine durchgehende Schärfe über den gesamten Tiefen-Bereich des Motivs zu erreichen, die Gesamtschärfe ist hervorragend (Letztere ist wie bereits gesagt vor allem von der Qualität des Objektivs abhängig) und sowohl die Größenverhältnisse als auch die Abstände in der Tiefenstaffelung entsprechen weitgehend unserer Wahrnehmung. Somit wirkt dieses Foto im Gegensatz zum weiter oben gezeigten Foto mit einem Weitwinkelobjektiv auf uns auch natürlich.
Eine deutlich längere Brennweite, also ein Teleobjektiv, würde, selbst wenn man einen größeren Abstand für denselben Bildausschnitt realisieren könnte, die Größenverhältnisse und die Abstände der Tiefenstaffelung im Verhältnis zu unserer eigenen Wahrnehmung falsch darstellen und würde auf den Betrachter deshalb bei einem solchen Motiv ähnlich unnatürlich wirken wie ein Weitwinkelobjektiv. Darüber hinaus hätte eine deutlich längere Brennweite selbst bei einer starken Abblendung nicht die hier erforderliche Schärfentiefe.
Im Studio, insbesondere in einem kleineren Studio, kann die Standardbrennweite auch für Fotos wie das hier gezeigte eingesetzt werden, denn der Abstand zum Model ist groß genug, um Objekte im Vordergrund, beispielsweise die Nase, nicht mehr als im Verhältnis zu groß darzustellen, was bei einem Format füllenden Porträt trotz der eigentlich weit gehend unserer Wahrnehmung entsprechenden Tiefenstaffelung der Fall wäre. Denn im Nahbereich, dazu gehören auch Porträts, zeigt sich, dass die Standardbrennweite bezüglich ihrer optischen Eigenschaften eher zu den Weitwinkelobjektiven als zu den Teleobjektiven gehört. Sie steht nämlich nicht genau in der Mitte, sondern, das zeigen auch die technischen Gründe für die Entwicklung der 50 mm Brennweite als Standard, geht schon eher in den Weitwinkelbereich.
Tele Objektive
Von einem Teleobjektiv spricht man bei Brennweiten ab etwa 80 mm.
Teleobjektive haben einen deutlich kleineren Bildwinkel als ein Standardobjektiv. Der Bildwinkel eines Standardobjektivs mit 50 mm Brennweite beträgt 40°, der Bildwinkel eines Teleobjektivs reicht von etwa 25° bis in den extremen Telebereich mit weniger als 2°. Die Abstufung zwischen einem Teleobjektiv und einem Standardobjektiv gibt es natürlich nur bei der Verwendung von Festbrennweiten, bei einem Zoomobjektiv werden Brennweite und damit der Bildwinkel kontinuierlich verändert.
Die optischen Eigenschaften von Teleobjektiven
Je länger die Brennweite, umso stärker zeigen sich die typischen optischen Eigenschaften langer Brennweiten, die wir für die Bildgestaltung bewusst einsetzen können.
Zu den typischen Eigenschaften von Teleobjektiven gehört die mit zunehmender Brennweite immer geringere Schärfentiefe.
Schärfentiefe
Die Schärfentiefe ist eine Eigenschaft, die von der absoluten Brennweite eines Objektivs abhängt und nicht vom genutzten Bildwinkel. Benutzt man an einer digitalen Spiegelreflexkamera mit einem kleineren Sensor als dem Vollformat Objektive, die für das Kleinbildformat bzw. gleichgroße Vollformat entwickelt wurden, sind für die optischen Eigenschaften des Objektivs ausschließlich die tatsächliche Brennweite und nicht die mit dem Cropfaktor umgerechnete Brennweite maßgebend.
Räumliche Tiefenstaffelung
Die beiden Hirschgruppen im Schwetzinger Schlossgarten, die hier unmittelbar hintereinander zu stehen scheinen, sind tatsächlich mehr als10 m voneinander entfernt. Doch mit einem starken Tele werden die Abstände in der Tiefe drastisch verkürzt. Auf dem unteren Foto sehen Sie die beiden Hirsche.
Eine weitere wichtige Eigenschaft von Teleobjektiven ist die räumliche Tiefenstaffelung. Je stärker ein Teleobjektiv, umso mehr werden Vordergrund und Hintergrund räumlich zusammen geschoben und Objekte im Hintergrund werden im Verhältnis zu den Objekten im Vordergrund immer größer.
Dieses Foto aus dem Schwetzinger Schlossgarten wurde mit einem starken Teleobjektiv gemacht. Die Stromleitungen sind vom Kamerastandort mit bloßem Auge nicht sichbar, sie sind mehr als einen Kilometer entfernt. Die im Foto obendrüber, das mit einem Weitwinkelobjektiv gemacht wurde, starke perspektivische Verjüngung findet bei dem starken Teleobjektiv nahezu nicht statt. Wer den Schwetzinger Schlossgarten kennt, wäre auch erstaunt über die scheinbar kurze Entfernung zwischen der Hirschgruppe und dem Weiher im Hintergrund, denn das sind immerhin 200 m. Mit einem Weitwinkelobjektiv würde der Spaziergänger im Hintergrund winzig klein.
Da Teleobjektive einem Fernglas entsprechen, werden auf den Fotos Details sichtbar, die wir mit bloßem Auge gar nicht wahrnehmen. Das ist wichtig, wenn im Hintergrund, der bei der Entfernungseinstellung unendlich natürlich scharf gezeichnet wird, störende Objekte sind, wie beispielsweise eine weit entfernte Stromleitung, die wir mit bloßem Auge wegen ihrer großen Entfernung gar nicht sehen.
Verzeichnung
Teleobjektive verzeichnen im Gegensatz zu einem Weitwinkelobjektiv praktisch nicht. Deshalb setzt man sie nicht nur für Porträts, sondern für alle Motive, bei denen eine Verzeichnung nicht erwünscht ist und von denen man weit genug zurücktreten kann, um sie trotz der längeren Brennweite noch Format füllend fotografieren zu können, vorzugsweise ein, wenn die geringere Schärfentiefe des Teleobjektivs für das Motiv noch ausreichend ist.
Perspektivische Verjüngung
Je größer der Bildwinkel, umso stärker wird die perspektivische Verjüngung und umgekehrt, das gilt jetzt für Teleobjektive, je kleiner der Bildwinkel, umso geringer die perspektivische Verjüngung.
Lichtstärke
Je länger die Brennweite wird, umso geringer wird die Lichtstärke des Objektivs. Leichte Teleobjektive bis etwa 100 mm Brennweite können in puncto Lichtstärke fast noch mit dem Normalobjektiv gleichziehen, mittlere Teleobjektive bis etwa 150 mm Brennweite können bei hochwertiger Bauweise immer noch mit einer großen Lichtstärke punkten, doch spätestens bei Brennweiten ab 250 mm aufwärts nimmt die Lichtstärke deutlich ab, das gilt auch für Zoomobjektive.
Im extremen Telebereich wird das ganz besonders deutlich. Teleobjektive mit mehr als 500 mm Brennweite erreichen selten eine bessere Lichtstärke als Blende acht. Das bedeutet gleichzeitig, dass die Schärfeleistung durch abblenden gegenüber der geringsten Schärfeleistung bei offener Blende nur noch minimal erhöht werden kann.
Belichtungszeit
Wie schon weiter oben in der Tabelle ausgeführt, gilt für Teleobjektive eine Faustregel:
Die längst mögliche Belichtungszeit soll mindestens die halbe Brennweite betragen.
Also umgerechnete Brennweite z.B. 200 mm, längstmögliche Belichtungszeit 1/125 sec, Brennweite 500 mm längstmögliche Belichtungszeit 1/250 sec. Wenn das Licht ausreicht besser kürzere Belichtungszeiten einstellen.
In diesem Fall gilt die umgerechnete Brennweite, nicht die tatsächliche Brennweite des Objektivs. Denn, bei dieser Faustregel geht es um den Bildwinkel. Selbst diese Faustregel kann noch zu verwackelten Fotos führen, also möglichst noch kürzere Belichtungszeiten (Brennweite oder sogar doppelte Brennweite als längst mögliche Belichtungszeit) oder besser gleich ein stabiles Stativ benutzen. Denn bereits kleinste Erschütterungen führen bei dem kleinen Bildwinkel zu deutlich sichtbaren Unschärfen.
Für kurze Belichtungszeiten ist natürlich genügend Licht erforderlich. Wenn das Licht nicht ausreicht, muss man einen höheren ISO-Wert einstellen und das dadurch bedingte Bild Rauschen in Kauf nehmen.
Bei extremen Teleobjektiven und wenn es das Motiv zulässt, also nicht gerade bei scheuen Wildtieren, sollte man deshalb sogar mit der Spiegelvorauslösung arbeiten, um jede Kameraerschütterung zu vermeiden. Übrigens, das sei hier nur am Rande erwähnt, sollte man einen Bildstabilisator abschalten, wenn die Kamera auf ein Stativ gestellt wird. Bildstabilisator und Stative vertragen sich nicht besonders gut und es kann zu unerwünschten Ergebnissen kommen.
Weit entfernte Objekte
Das Heidelberger Schloss kurz vor Sonnenuntergang vom gegenüber liegenden Heiligenberg mit einem starken Tele fotografiert.
Natürlich sind Teleobjektive auch das Optimum, wenn es darum geht, weit entfernte Objekte Format füllend fotografieren zu können. Dafür sind die schließlich auch ursprünglich entwickelt worden. Ob es sich um Fotos wie hier vom Heidelberger Schloss handelt, das vom gegenüberliegenden Berg aufgenommen wurde oder um scheue Tiere in freier Wildbahn, dafür sind starkeTeleobjektive geradezu prädestiniert.
Gerade für solche Motive kann sogar der kleinere Sensor einer digitalen Spiegelreflexkamera in der Consumer-Klasse von Vorteil gegenüber dem Vollformat sein, weil die Brennweite durch den Cropfaktor um 50 % verlängert wird, ohne deshalb an Lichtstärke einzubüßen.
Das gilt natürlich nur bezüglich des Bildwinkels, doch um den geht es hauptsächlich, wenn man weit entfernte Objekte fotografieren möchte. Denn, man gewinnt nicht nur eine um 50 % verlängerte Brennweite, sondern eliminiert auch gleich noch ein anderes Problem, nämlich die typischen Randunschärfen, die außer bei sehr hochwertigen Objektiven eigentlich immer mehr oder minder stark da sind.
Umgekehrt ist das Vollformat das Format der Wahl, wenn man den Weitwinkelbereich voll ausnutzen möchte, in diesem Fall stört nämlich die Brennweiten Verlängerung um 50 % ganz massiv.
Porträts
Portrait mit 135 mm Festbrennweite und offener Blende (2,8)
Brennweiten im Bereich zwischen 75 und 120 mm sind prädestiniert für die Porträtfotografie. Das bezieht sich jetzt ganz konkret wieder auf die tatsächliche und nicht auf die umgerechnete Brennweite. Bei diesen Brennweiten hat man noch eine gute Lichtstärke, eine hervorragende Scharfzeichnung bei mittlerer Blende, zumindest wenn das Objektiv etwas taugt, und eine deutlich geringere Schärfentiefe als bei kürzeren Brennweiten. So kann man ein Model in seiner ganzen Schönheit fotografieren und dennoch durch den Gegensatz von Schärfe und Unschärfe vom Hintergrund abheben.
Portrait mit 80 mm Brennweite.
Der weitere Vorteil dieser typischen Porträt-Brennweiten, sie lassen sich im Gegensatz zu noch längeren Brennweiten auch im kleineren Studio noch gut einsetzen, weil man keinen riesigen Abstand zum Model braucht, um auch nur das Gesicht komplett drauf zu bekommen.
Portrait im Studio mit 80 mm Brennweite
Für Porträts nehme ich gerne mal eine ältere Festbrennweite mit 135 mm Brennweite, doch in meinem fast 80 m² großen Studio habe ich auch genügend Platz, um den erforderlichen Abstand zu bekommen. Der Vorteil dieses Objektivs ist, dass es sehr lichtstark ist und eine exzellente Scharfzeichnung besitzt, dazu aber die typisch geringe Schärfentiefe dieser Brennweite, was zu optimalen Porträts führt.
Geringe Schärfentiefe heißt aufpassen
135 mm Festbrennweite ohne Autofocus, Blende 2,8
Die geringe Schärfentiefe ist jedoch gelegentlich gleichzeitig ein Nachteil, wie dieses Foto zeigt. Denn, insbesondere bei offener Blende, wenn die Schärfentiefe das Minimum erreicht, ist eine sehr sorgfältige Fokussierung auf den bildwichtigsten Teil erforderlich, also in der Regel das Gesicht.
Aufpassen heißt es in solchen Situationen auch mit Autofocus. Denn, solange nicht einzelne Meßfelder aktiviert wurden, würde der Autofocus sich starke Kontrastkanten möglicht in der Bildmitte suchen, würde also auf das Kleid und nicht auf das Gesicht scharf stellen.
Brennweite und Entfernungseinstellung
Zum Schluss eines der schwierigsten Kapitel der Brennweite.
Eine Brennweite wird immer mit der Entfernungseinstellung unendlich angegeben. Dazu muss das Bildmotiv natürlich nicht unendlich weit entfernt sein, es muss sich nur außerhalb der Fokussierung auf ein näher gelegenes Objekt befinden. Wo die Unendlich Einstellung eines Objektivs beginnt, hängt wiederum vom Bildwinkel ab. Je kleiner der Bildwinkel und somit je länger die Brennweite, umso weiter muß ein Objekt entfernt sein, um mit der Unendlich Einstellung ohne Berücksichtigung der Schärfentiefe noch scharf gezeichnet zu werden. Bei einem 50 mm Objektiv ist alles, was weiter als etwa 15 m entfernt ist, bereits unendlich weit weg, bei einem Objektiv mit 135 mm Brennweite sind es mehr als 30 m.
Sobald manuell oder per Autofocus auf ein näher liegendes Objekt scharf gestellt wird, wird die Brennweite verlängert. Sonst würde nämlich der Brennpunkt hinter der Sensorebene liegen und das Foto wäre unscharf.
Die Verlängerung der Brennweite durch die Fokussierung auf ein näher gelegenes Motiv ändert weder den Bildwinkel noch die Lichtstärke des Objektivs, wohl aber den Bereich der Schärfentiefe. Die Schärfentiefe wird umso geringer, je näher an der Kamera das Bildmotiv ist, auf das scharf gestellt wird, weil die Brennweite gleichzeitig länger wird.
Die beiden Fotos oben enstanden mit einem Sigma Objektiv mit 70-300 mm Brennweite. Das Foto des Schmetterlings mit 210 mm eingestellter Brennweite, das Foto der Biene in der Makrostellung des Objektivs mit 300 mm Brennweite. In der Makrostellung kann die Brennweite nochmals deutlich verlängert werden, so dass bei ca. 1m Abstand Fotos bis zum Maßstab 1:2 möglich werden. Der Maßstab 1:2 bezieht sich auf das Negativformat, für das dieses Objekiv entwickelt wurde, also Kleinbild bzw. digitales Vollformat mit 24x36 mm.
Speziell in der Makrostellung hat der Autofocus bei geringsten Bewegungen schon zu kämpfen. denn der Bereich der Schärfentiefe beträgt nur noch einige Millimenter. Die Biene bewegt sich ständig, die Blüte hält außer bei absoluter Windstille auch nicht still und der Fotograf ist auch nicht zur Salzsäule erstarrt. Ein Stativ wäre dennoch kontraproduktiv, denn bevor das auch nur halbwegs richtig eingestellt wäre, ist die Biene bereits auf einer anderen Blüte. Für diese Fotos wurde nur der mittlere Meßpunkt für den Autofocus aktiviert, die Belichtung wurde manuell eingestellt.
Objektive haben nicht nur eine Unendlich Einstellung, sondern auch eine Naheinstellgrenze, die für scharfe Fotos nicht unterschritten werden darf. Nur mit Makroobjektiven kann diese Grenze ohne weitere Hilfsmittel unterschritten werden.
Mit Zwischenringen oder einem Balgengerät kann die Brennweite jedes Objektivs für Nahaufnahmen deutlich verlängert werden, jedoch bei gleichzeitigem Lichtverlust. Die Belichtung muss entsprechend angepasst werden. Auch mit Nahlinsen, die man wie einen Filter auf das Objektiv schraubt, wird die Brennweite für den Naheinstellbereich scheinbar verlängert. Letzteres zwar ohne Lichtverlust, dafür jedoch mit Einbußen der Qualität des optischen Systems.
Zu den Fotos auf dieser Webseite
Die meisten beispielhaft gezeigten Portraits entstanden an einem schönen herbstlichen Nachmittag im Park des Heidelberger Schlosses mit Sabrina, einem sehr guten Amateurmodel. Die Kamera war eine Pentax K200 mit einem Pentax Zoom 28-80mm. Von einigen Ausnahmen abgesehen arbeitete ich mit dem Tele Ende dieses Objektivs, also mit 80 mm tatsächlicher Brennweite. Da die Pentax keine Vollformatkamera ist, sondern mit dem kleineren APS Sensor arbeitet, muss die Brennweite für einen dem Vollformat vergleichbaren Bildwinkel umgerechnet werden. Damit entspricht der Bildwinkel einem 120 mm Objektiv an einer Vollformatkamera.
Die Stärken der Portraitbrennweite 80 mm werden bei den Beispielfotos deutlich: Sehr gute Schärfe in der Schärfenebene trotz überwiegend offener Blende, geringe Schärfentiefe, keine Verzeichnungen.